Archiv für die Kategorie ‘Zeitzeugen’

Die BBS II Göttingen präsentiert vom 10.11. – 28.11.2014 die Ausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme – Streiflichter auf die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert“ vom Münchner Institut für Zeitgeschichte, Deutschlandradio Kultur und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Mit Zeitzeugengesprächen gedenken wir in diesem Rahmen auch an den Mauerfall vor 25 Jahren.  
Ausstellungsplakat und Erläuterung

Ausstellungsplakat und Erläuterung

Die Ausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme. Streiflichter auf die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert“ greift alle zentralen Themen des Erinnerungsjahrs 2014 auf und wird bundesweit in rund 3.000 Exemplaren sowie international in zehn Sprachfassungen gezeigt.

Die Ausstellung erzählt Europas 20. Jahrhundert als dramatische Geschichte zwischen Freiheit und Tyrannei, zwischen Demokratie und Diktatur. Sie lädt zu einer historischen Ortsbestimmung ein, zu der das Jahr 2014 herausfordert: 2014 jährt sich der Ausbruch des 1. Weltkriegs zum 100. Mal, 75 Jahre sind seit Beginn des von Deutschland entfesselten 2. Weltkriegs vergangen, 25 Jahre seit den friedlichen Revolutionen und zehn Jahre seit der EU-Osterweiterung.

An dieser Stelle wollen wir dem Mauerfall, der friedlichen Revolution, gedenken. Diese Revolution machte aus zwei Deutschen Staaten wieder einen mit echter Demokratie. Vergessen wollen wir nicht, welches Leid Menschen widerfahren ist, die sich gegen das DDR-Regime auflehnten und einfach nur „frei“ sein wollten und so dem DDR-Staat den Rücken kehrten.

Neben der Ausstellung präsentieren wir einmalig in Göttingen das selbstgebaute Fluggeräte von Michael Schlosser. Mit diesem Fluggerät, welches er aus Daffke gebaut hatte, wollte Michael Schlosser dann doch die DDR verlassen. Bevor er jedoch zum entscheidenden Flug antreten konnte, wurde er verraten und inhaftiert. Ende November wird uns Herr Schlosser mit seiner Geschichte und für ein Gespräch zur Verfügung stehen. In der 47. KW freuen wir uns auf den Besuch von Frau Bärbel Große und  ihrer Geschichte. Die Odyssee vom einfachen Ausreiseantrag für die ganze Familie (vier Personen), über das  Frauengefängnis Hoheneck, der Zermürbung bis in die Freiheit in den Westen.

Michael Schlosser in der BBS II Göttingen

Michael Schlosser in der BBS II Göttingen

Noch ein paar Informationen zur Ausstellung:

Auf 26 Tafeln präsentiert die Ausstellung rund 190 zeithistorische Fotos sowie 24 historische Tondokumente, die mit internetfähigen Telefonen via QR-Codes abgerufen werden. können. Autoren der Ausstellung sind der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte Prof. Dr. Andreas Wirsching und Dr. Petra Weber. Die vom Leipziger Grafiker Dr. Thomas Klemm gestaltete Ausstellung wird von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, dem Institut für Zeitgeschichte und Deutschlandradio Kultur herausgegeben.

Nähere Informationen zur  Ausstellung und deren Bestellmöglichkeit finden Sie hier: www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/ausstellung2014.

Sibylle Meyer

„Warum das Eintreten für mehr Demokratie ins Zuchthaus führte“

Die Berufsbildenden Schulen II Göttingen laden zur Auseinandersetzung mit unserer Zeitgeschichte mit der Plakatausstellung „Jugendopposition in der DDR“ in die Mediothek der Schule (Godehardstr. 11, 37081 Göttingen) ein. Plakate zur Geschichte der Jugendopposition in der DDR werden bis Ende November in der Mediothek der Schule ausgestellt. Sie sind dort auch für die Öffentlichkeit während der Schulzeit von Montag bis Freitag in der Zeit 08:00 – 14:00 Uhr zugänglich.

Auf 20 Plakaten, angesiedelt im Zeitraum von den Nachkriegsjahren bis zur Freiheitsrevolution 1989, werden Biografien von Widerständlern erzählt. Die Autoren Stefanie Wahl und Tom Sello stellen diese so prägnant dar, dass Schüler und Besucher sich mit ihnen identifizieren können. Jugendlichen fällt es heute häufig schwer sich vorzustellen, wofür Menschen in der DDR auf die Straße gingen bzw. das Glück, in Freiheit zu leben, wertzuschätzen. Welche Dramatik in den Fällen steckt, bleibt 24 Jahre nach dem Mauerfall ergreifend. Ein Ziel der Ausstellung ist, durch die Dokumentation der Schicksale Schülerinnen und Schüler aufzurütteln, sich mehr für Demokratie und Freiheit einzusetzen.
„Die Opposition gegen Diktatur haben viele mit dem Leben oder mit langen Jahren Haft bezahlt“, betonte Dr. Hans-Jürgen Grasemann bei seinem letzten Besuch in den BBS II Göttingen. Aber heute werde wenig Interesse oder Anerkennung dafür gezeigt, da die Demokratie und unser Leben Gewohnheit geworden ist. Herr Dr. Grasemann, Oberstaatsanwalt a.D. und stellvertretender Leiter der Zentralen Erfassungsstelle Salzgitter, steht am 07.11. sowie Michael Schlosser, der ein selbstgebautes Flugobjekt zur Flucht nutzen wollte und verraten wurde, am 19.11.2013 für Zeitzeugengespräche zur Verfügung. Am 07.11. ergänzt der Film „Tod dem Verräter“ von Heribert Schwan ab 09:45 Uhr das Programm.

Der Eintritt ist frei!

Bei Interesse kontaktieren Sie uns bitte – Anmeldung erwünscht unter: 0551 – 4961-6

Gesamtprogramm der Ausstellung

Ausstellungsdauer vom 04.11. – 30.11.2013 in der Mediothek
Jugendopposition in der DDR
07.11.2013
09:45 bis 10:45 Uhr: Film „Tod dem Verräter“, Heribert Schwan, Dokumentation des Falls des Fußballers Lutz Eigendorf durch Herrn Dr. Grasemann, anschließend Zeitzeugengespräch
11:30 Uhr: Zeitzeugengespräch mit Herrn Dr. Grasemann – Herr Grasemann berichtet und erzählt über einzelne Persönlichkeiten der Plakatausstellung und was sie auszeichnen. Außerdem steht er für Fragen zum Thema: Stasi, Flucht, Rechtsstaat und Unrechtsstaat zur Verfügung!
Lutz Eigendorf im DDR Trikot vor seiner Flucht in den Westen. - Sein Alfa Romeo nach dem mysteriösen Unfall 1983 und Dr. H.-J. Grasemann der über diesen Fall berichtet

Lutz Eigendorf im DDR Trikot vor seiner Flucht in den Westen. – Sein Alfa Romeo nach dem mysteriösen Unfall 1983 und Dr. H.-J. Grasemann der über diesen Fall berichtet

19.11.2013

Erster Block: 09:45 Uhr: Film „Operative Personenkontrolle – Ikarus – mit dem Flieger in den Westen“, MDR-Reportage

10:15 Uhr: Zeitzeugengespräch mit Michael Schlosser, Konstrukteur des Leichtflugzeuges, verhaftet wegen versuchter Republikflucht, von der BRD frei gekauft
Zweiter Block (Wiederholung des Ersten Blocks)
11:30 Uhr: Film „Operative Personenkontrolle – Ikarus – mit dem Flieger in den Westen“, MDR-Reportage
12:00 Uhr: Zeitzeugengespräch mit Michael Schlosser, Konstrukteur des Leichtflugzeuges, verhaftet wegen versuchter Republikflucht, von der BRD frei gekauft
Michael Schlossererzählt seine Geschichte bei einer Fortbildung in der Politische Bildungsstätte Helmstedt e.V., Michael Schlosser steht vor seinem Nachbau mit dem er 1983 fliehen wollte

Michael Schlossererzählt seine Geschichte bei einer Fortbildung in der Politische Bildungsstätte Helmstedt e.V., Michael Schlosser steht vor seinem Nachbau mit dem er 1983 fliehen wollte

Ein Tag zählt wie ein Jahr

Veröffentlicht: 16. Juli 2012 von stalkmagazin in Aktuelles, Zeitzeugen
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Geschichte: Zeitzeugin berichtet über Alltag, Leben, Haft und Ausreise bzw. Freikauf aus der ehemaligen DDR

Göttingen. Geschichtsunterricht in einer höchst lebendigen Form er­lebten die Schülerinnen und Schüler von den Berufsbil­denden Schulen II Göttingen am Donnerstag den 05.07. und Dienstag den 10.07.2012. Bärbel Große berichtete nicht nur von ihrer Kindheit, Jugend, Kirche, Beruf, Heirat, Familie, dem Elternaktiv für ihre Kinder Cassin und Matthias in der ehemaligen DDR. Sie erzählte auch von den Stasi-Methoden, ihrer Untersuchungshaft und dem Frauengefängnis Hoheneck, dem Leben danach und nach der Wende. Dabei spielen ihre Freunde aus dem Westen, wie z.B. aus den Niederlanden eine große Rolle.

Bärbel Große am 05.07.2012 in der Mediothek, BBS II Göttingen

Bärbel Große am 05.07.2012 in der Mediothek, BBS II Göttingen

Anlässlich der Literaturauswahl in diesem Jahr 2011/12 ”Sonnenallee” hat Frau Sibylle Meyer in ihren Klassen und Kolleginnen und Kollegen im Deutschunterricht die jüngere deutsch-deutsche Ge­schichte im Unterricht genauer beleuchtet. Für die Ju­gendlichen, die alle erst nach der Wiedervereinigung geboren wur­den, ist die DDR häufig ein schwar­zes Loch. Einige unserer Schülerinnen und Schüler kommen aus Thüringen oder Sachsen Anhalt, ihre Eltern erzählen ihnen kaum, wie es vor der Wende bzw. wie die Wende war. Die Schüler können sich nicht vorstellen, dass es mal zwei deutsche Staaten mit einer innerdeutschen Grenze gab. Auch fehlt ihnen die Vorstellungskraft, wie die DDR mit ihrer Bevölkerung umging, wenn diese den Wunsch verspürte das Land einfach nur Richtung Westen verlassen zu wollen, weil man “frei” sein oder einfach sein Leben selbst bestimmen wollte.

Frau Große erzählte sehr detailliert mit kleinen Einblicken in ihre Stasi-Akten in 90 Minuten ihr Leben und wie es zu Ihrer Inhaftierung kam…. in weiteren 90 Minuten erzählte sie von ihrer Vernehmung, dem vorgefassten Urteil und der monatelangen Untersuchungshaft bevor es in das Frauengefängnis Hoheneck ging. Sehr eindrucksvoll schilderte sie die wochenlange Pflege von “Ilse”, die uns unter die Haut ging…

 „Wie können Menschen, Menschen das antun?“

– diese Frage beschäftigte wohl gerade in dieser Phase ihrer Erzählung jeden…. In Hoheneck zählte ein Tag Gefängnis wie ein Jahr…

Frau Große gab während ihrer Erzählung den Schülerinnen und Schülern immer die Gelegenheit Fragen stellen zu können, was einige auch nutzten, die einfach nicht begreifen konnten, wie so etwas möglich war. Vor allem mit welchen Lügen die DDR-Bevölkerung leben mussten, wie beispielsweise dass es  in der DDR keine Nazis, Behinderte oder gar Kindesmörderinnen gab. Allein die Tatsache das Frau Große in einer Gemeinschaftszelle einsaß, in der 12 Kindesmörderinnen waren und nur sechs „Politische“, wie Republikflüchtlinge oder Ausreisewillige genannt wurden ist schon ziemlich grotesk.

Mitfühlen konnten alle als Frau Große von dem Tag erzählte, der ihr die langersehnte Ausreise in den kapitalistischen Westen ins Land der Staatsfeinde der DDR ermöglichte.

  • Wie Sie und viele andere politische Flüchtlinge mit einem „Westbus“ über die Grenze fuhren und dabei Udo Jürgens mit seinem Hit „Alles im Griff“ hörten,
  • wie sie die Stasi und den Rechtsanwalt Dr. Vogel, der den Transport begleitete, mit ihren PKWs an der Grenze abdrehen sahen,
  • wie die Stasis an der Grenze den Bus unter Pfeif- und Buhrufen verliesen und dann noch das satte Grün des Westens…

Es muss ein unbeschreibliches Gefühl gewesen sein! – für uns Zuhörer auch, Frau Große erzählte dies so lebendig, das kaum ein Auge trocken blieb…

Es dauerte nun noch gut fünf Monate bis Frau Große ihre Familie, ihren Mann und ihre zwei Kinder im Westen in Empfang nehmen konnte. Frau Große ist sich sicher:

„Es hat sich jeder Tag gelohnt, vor dem Mauerfall im Westen zu sein und dort Leben zu dürfen. Ich hatte fünf Jahre Vorsprung! Die Freiheit eines jeden, ist das höchste Gut und sie ist nur in einer Demokratie möglich!“ (Bärbel Große)
Bärbel Große und Schüler nach ihrer Erzählung am 10.07.2012 in der Mediothek, BBS II Göttingen

Bärbel Große und Schüler nach ihrer Erzählung am 10.07.2012 in der Mediothek, BBS II Göttingen

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